Wahl in NRW 2010

Von | 12. Mai 2010

Ich weiß, ich weiß, ich wollte Urlaub machen, aber passend zur Wahl in NRW musste ich dennoch ein Text schreiben und da ich den Rundumschlag komplett verändern wollte, verwurste ich das ganze in einem von diesem, dem sechsten.

Nun war sie also da, die Wahl in Nordrhein-Westfalen und auch die einzige in diesem Jahr. Und was war die spannend, bis zu letzten Minute und die Spannung ist ja noch immer nicht vorbei.

Kurze Aufstellung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses der Zweitstimmen (eine schöne Aufstellung mit Vergleich zum Jahr 2005 gibt es auf Wikipedia):

  • CDU 34,6 %
  • SPD 34,5 %
  • Grüne 12,1 %
  • FDP 6,7 %
  • Linke 5,6 %
  • Piraten 1,5 %
  • alle Anderen (für mich nicht wichtig) haben 5 %

Bevor ich Wahlanalyse betreibe, möchte ich noch mal folgendes feststellen: Kann es sein, dass in diesem Land immer irgendwo Wahlen sind? Man fragt sich, ob unsere Politiker auch mal regieren oder doch immer nur Wahlkampf betreiben. Man könnte den Wahlzeitpunkt evtl. überall angleichen, was wahrscheinlich auch die Wahlbeteiligung erhöhen würde. Und ja ich weiß, dass es in Zeiten von Misstrauensvotum, Rücktritt und Abwählen (wobei das noch nie vorgekommen ist) schwerlich möglich ist, die Wahltermine aneinander anzugleichen. Und trotzdem erscheint es einem so, als würden selbst Bundespolitiker immer irgendeine Wahl abwarten und sei es die Wahl zum Bürgermeister von Bielefeld.

Aber das soll nicht das Thema sein, kommen wir zur Wahl:

Die Wahlbeteiligung

Mit 59,3 % war die Wahlbeteiligung mal richtig mies, seit 2000 sogar die zweitniedrigste. Auch das ist etwas, was ich nicht verstehen kann. Viele schimpfen auf die Politik, sind aber nicht bereit, wenigstens an einem Sonntag irgendwo ihr Kreuzchen zu machen. Leute, wenn ihr etwas verändern wollt, müsst ihr auch wählen gehen! Es gibt noch viele weitere Parteien, außer den großen sechs, die Piraten können z.B. jede Stimme gebrauchen. Ich will gar nicht sagen, was ihr wählen sollt, aber ich will euch zum Wählen bewegen. Jede nicht abgegebene  Stimme ist eine Stimme gegen die Demokratie und eine Stimme für eine Partei, die ihr evtl. noch weniger leiden könnt, als die großen sechs. Deswegen hier nochmal mein Apell: Geht wählen!

Der Wahl-O-Mat

Ich halte den „Wahl-O-Mat“ (Klick) für sowas von dermaßen sinnlos. Schon allein aus dem Grund, weil er nur drei Antwortmöglichkeiten zulässt und somit bei einen derart komplexen Thema wie Politik nur Blödsinn rauskommt. Bei mir z.B. standen die Violetten (habe ich mal spaßeshalber mit reingenommen) relativ weit oben. Die Piraten zwar auch, aber eben unter den Violetten. Was ja auch kein Wunder ist, da den Piraten zu einigen Themen einfach ein Programm fehlt und ihre Haltung vom Wahl-O-Mat-Team zu bestimmten Themen als neutral angegeben wird. Wissenswert ist übrigens auch, dass Die Linke immer noch unter den kleineren Parteien stehen.

Die Parteien

Die CDU hat diesmal etwas Neues versucht und Wahlkampf für die SPD betrieben. Da werden die Gegner bespitzelt (Klick), Gespräche mit Rüttgers oder einen Minister verkauft (Klick und Klick) und die „unabhängige“ Wählerinitiative „Wähler für den Wechsel“ mit Spenden unterstützt (Klick). Wirklich interessant ist aber, dass die Informationen von einer Quelle innerhalb der CDU an die Presse geraten ist, was gegen die Geschlossenheit spricht, die die CDU nach außen hin zeigt. Das ist SPD-Niveau. So hat die CDU ganze 10,2 % verloren, was sie zum eigentlichen Verlierer macht und wahrscheinlich seinen dramatischen Höhepunkt in dem Rücktritt von Jürgen Rüttgers findet.

Auf Seiten der FDP hat man 0,5 % gewinnen können. Nichts, was wirklich was erwähnenswert wäre. Da würden mich mal die genauen Zahlen der Wähler interessieren, zumindest die von 2005. Es kann nämlich eventuell sein, dass die Wählerzahl nicht gestiegen ist, sondern der prozentuale Anteil einfach nur höher ist, weil weniger Leute zur Wahl gegangen sind (natürlich könnte ich das auch ausrechnen, habe aber keine Lust dazu). Tja, man kann halt nicht immer die Stimmen der CDU klauen, wie es z.B. bei der Bundestagswahl war. Das Witzige hier waren ja die Gesichter der FDP bei der Bekanntgabe der Prognosen, einfach göttlich, wie die von freudiger Erwartung gezeichneten Gesichter sich zu geschockten, ja fast traurigen, Mienen verwandelt haben.

Die SPD hat sich über dieses Ergebnis unnatürlicher Weise gefreut. Das schlechteste Ergebnis seit 1958 und die Idioten (Entschuldigung, aber anders kann man es nicht ausdrücken) freuen sich. Schlimmer noch, die sehen sich als Wahlgewinner an, bevor alle Stimmen überhaupt ausgezählt sind. Ich habe noch einen Satz in den Ohren von 2002, da hat ein längst vergessener Ministerpräsident aus Bayern Folgendes gesagt: „Meine Damen und Herren, wir haben die Wahl gewonnen.“ Derartige Arroganz gehört eigentlich bestraft. Schade, dass man keine Prozente abziehen kann, wegen „unsportlichen Verhaltens“ oder so… Zum Wahlkampf sei noch Folgendes gesagt: Wenn sie den CDU-Wahlspruch: „Wir haben die Kraft“ der Bundestagswahl genommen und für ihre Zwecke benutzt hätten, hätte ich evtl. sogar die Partei gewechselt.

Anders sieht diese Feierstimmung bei den Grünen aus. Die haben richtig zugelegt und konnten ihre Prozente nahezu verdoppeln, was mich teilweise doch schon freut. So sind sie in der beneidenswerten Lage, sich ihre Koalitionspartner auszusuchen zu können und sicherlich wird sowohl die CDU als auch die SPD anfragen. Insofern müssen sie aufpassen, dass sie nicht ihr eigenes politisches Gewissen aufs Spiel setzen, um an die Macht zu gelangen.

Die bösen, bösen Linke haben es zum ersten Mal geschafft, in das Parlament von NRW zu kommen, was auch kein Wunder ist, da sie bei der letzten Wahl noch als WASG und PDS einzeln angetreten waren und bei dieser Wahl das erste Mal als Die Linke angetreten sind. Gut ok, das wären nur 3,1 %, wenn man alle Prozente zusammenzählt. So scheint es, dass die Hetzkampangen gegen die Linke von diversen Sendern und Zeitungen auch keinen Erfolg mehr hatten, die Linke unter der 5 %-Hürde zu halten und sich somit eine Stammwählerschaft etablieren konnte. Ich kann dazu nur sagen: sehr gut, weiter so. Je mehr Parteien in der Regierung sind, desto mehr müssen die Politiker Kompromisse eingehen und Demokratie wagen. Fühlt sich noch jemand an Willy Brandt erinnert?

Jetzt will ich doch zur eigentlichen  Intention dieses Textes kommen: Die Piraten. Ohne Zweifel sind 1,5 % weniger als bei der Bundestagswahl mit 2,0 % Prozent, rein prozentual und natürlich auch mengenmäßig. Aber liebe Freibeuter: ihr dürft nicht vergessen, dass NRW ein schwieriges Pflaster ist. Die ganze Zeit über lief ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rüttgers und Kraft, da ist es doch sehr wahrscheinlich, dass viele, die eigentlich die Piraten gewählt hätten, sich auf dem Wahlzettel doch für die Grünen oder FDP entschieden haben. Selbst mit anderem Namen hätten wir wahrscheinlich nicht mehr Stimmen bekommen, dafür ist – wie gesagt – NRW einfach ein zu schwieriges Pflaster. Auch deswegen unterstütze ich solche Anträge (Klick) nicht, zumal der Name DDP, also „Digitale Deutsche Partei“ noch mehr Abgrenzung bedeutet als Piraten. Für mich bedeutet „Pirat“ Freiheit, Gemeinschaftlichkeit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit (wer an letzteren beiden etwas zu meckern hat, soll sich mal die Geschichte der Karibischen Piraten durchlesen und vor allem mal den Traum von „Libertalia“). Zumal es auch eine Abgrenzung zum internationalen Verband bedeuten würde. „Piraten“ ist, denke ich, schon der passende Name für eine Partei, die vermehrt Dinge behandelt, welche primär im Interesse der Jugend liegen. So ein Name ist anders, als die üblichen Drei-Buchstaben-Parteien und sollte um jeden Preis beibehalten werden.  Ich denke wir sollten genau bei der Jugend weitermachen – die Älteren kriegen wir eh nicht – und uns generell auf unsere Kernthemen konzentrieren und nicht das Programm bei den Grünen abschreiben. Leute, wir sind die siebtgrößte Partei Deutschlands, das müssen wir auch nach außen tragen und mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten.

Auch finde ich es schwierig, Personen, die mal einen Vorstoß wagen und ihre Meinung sagen wie z.B. Lena Simon (Klick) oder Aaron König (Klick) – in einer basisdemokratischen Partei – zu beleidigen und deren Parteiausschluss zu fordern. Dieses Kindergarten-Niveau passt zu den Großen aber nicht zu uns. Geht auf sie zu und sprecht mit ihnen, sucht das Gespräch und belegt eure Ansichten mit Argumenten, aber nicht mit Angriffen gegen diese Personen. So verlieren wir nur gute Leute. Und das können wir uns überhaupt nicht leisten bzw. kann sich Deutschland nicht leisten, denn dieser Staat braucht uns mehr denn je.

Näheres dazu erwähne ich bestimmt auch auf dem Bundesparteitag in Bingen.

Die Koalitionen

CDU und FDP haben es also mit 41,3 % nicht geschafft, im Landtag die absolute Mehrheit zu bekommen. Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass mich das ein wenig bedrückt. Andernfalls hätte nämlich die Regierung Merkel eine Bundesratsmehrheit gehabt und damit keine Argumente mehr, warum sie nicht regieren. So aber können sie immer wieder auf die fehlende Mehrheit hinweisen. Wäre ich Bürger in NRW und wäre ich kein Mitglied der Piraten, ich hätte sicherlich die FDP gewählt und zwar nur, damit die Leute endlich sehen, dass eine SPD-Regierung nicht das Schlechteste ist, was Deutschland passieren kann.

Generell muss ich hier noch mal sagen, dass die SPD bisher immer den Mist ausbanden musste, den die CDU verzapft hat, siehe z.B. die Hartz-Reformen oder Berlin im Moment. Und wenn die SPD, doof wie sie ist, entgegen ihren eigentlichen Programme gehandelt (man muss Schröder zugute halten, dass er wenigsten den Mut hatte, eine derart gravierende Reform als SPD-Kanzler auf dem Weg zu bringen) und ihre Schuldigkeit getan hat, kommt die CDU und kassiert die Lorbeeren dafür (siehe Hartz-Reformen). Normalerweise läuft es eigentlich so ab (zumindest in Europa): Die Rechten bringen die Wirtschaft und damit den Staatshaushalt auf Vordermann und die Linken die sozialen Projekte. So entsteht immer eine Wechselwirkung zwischen den beiden Kräften. Das Problem in unserem Staat aber ist, dass die CDU überhaupt keine Fähigkeiten hat, mit Geld umzugehen (außer in ihre eigene Tasche *hust*).

Jamaika ist ein schöner Ort, um mal Urlaub zu machen, aber ist es auch eine gute Koalition? Eigentlich ist jeder Parteienverbund mit CDU und FDP schlecht, aber diese könnte eventuell sogar klappen, wenn die CDU und FDP kompromissbereit beim Thema AKW-Laufzeiten und den ganzen sozialen Themen wären. Oder aber die Grünen würden ein Teil ihres Wahlprogrammes aufgeben, um mal mitspielen zu dürfen, was für einen Großteil der Wählerschaft der Grünen wahrscheinlich wie ein Schlag ins Gesicht wäre.

Rot-Grün hat ebenfalls nicht die absolute Mehrheit und kann somit nicht an 2000 anknüpfen, d.h. SPD und Grüne müssten sich noch einen weiteren Partner mit ins Boot holen.

Die Ampel würde wahrscheinlich nicht funktionieren, da FDP und SPD doch viel zu verschiedene  Programme haben (siehe Mindestlohn) und beide garantiert nicht bereit sind, ihr Profil zu ändern.

Rot-Rot-Grün wäre dann also die letzte – und auch die einzige – Alternative für ein linkes Bündnis. Die Frage ist, ob sich die SPD nochmal auf Glatteis begeben will und ihr Wahlversprechen bezüglich der Linken brechen will, denn Hannelore Kraft hat (vermutlich in einen Anflug geistiger Umnachtung oder auch „Bildritis“) erwähnt, dass die Linken weder regierungsfähig noch koalitionsfähig sind und auch keine Rot-Grüne-Regierung unter Duldung der Linken zustande kommen wird (Klick). Wir wissen aber von Frau Merkel, dass das, was vor der Wahl gilt, nicht gleich dem ist, was nach der Wahl passiert (Klick).

Es bleibt also – wie oben schon erwähnt – spannend. Ich sehe im Übrigen noch kommen, dass bald wieder in NRW gewählt wird.

Für alle weiteren Wahltermine bitte hier klicken.

Wörter: 1800

PS: Dank an Sahara

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