Sehr geehrte Frau Tillman,
am 27.06.2013 haben Sie gegen schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung gestimmt. [1]
Mich würde interessieren, warum Sie dagegen gestimmt haben.
Finden Sie es einem Staat wie Deutschland nicht unwürdig, dass er immer noch nicht (nach 8 Jahren) die UN-Richtlinien gegen Abgeordnetenbestechung [2] umgesetzt hat und in diesen Zusammenhang auf einer Ebene mit Nordkorea, Sudan oder Syrien steht?
Mit freundlichen Grüßen
Christian
[1] dip21.bundestag.de
[2] de.wikipedia.org
Sehr geehrter Herr Beuster,
vielen Dank für Ihre Frage vom 5. Juli 2013 zum Thema „schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung“.
Zunächst darf ich Sie darauf hinweisen, dass § 108e Strafgesetzbuch (StGB) den Kauf und Verkauf von Stimmen bei Wahlen und Abstimmungen – und damit Annahme von Bestechungsgeld für die wichtigste Handlung eines Abgeordneten – bereits unter Strafe stellt.
Der Straftatbestand des § 108e StGB ist zudem als sogenanntes „Unternehmensdelikt“ ausgestaltet und kann daher auch schon weit im Vorfeld des eigentlichen Stimmenkaufs, also vor und unabhängig von einem tatsächlich getätigten Abschluss einer Unrechtsvereinbarung verwirklicht werden. Mit anderen Worten: Der Tatbestand ist bereits vollendet, wenn der Täter auch nur zu einer Handlung ansetzt, die nach seinen Vorstellungen zu einem Stimmenkauf oder –verkauf führen soll.
Die darüber hinaus derzeit öffentlich verstärkt und auch von Ihnen geforderte Verschärfung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung mit dem Ziel, den diesbezüglichen Vorgaben der UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu genügen, begegnet jedoch erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag setzt sich selbstverständlich im Sinne dieses Übereinkommens nachdrücklich für die Verhinderung und die Bekämpfung von Korruption im privatwirtschaftlichen wie im öffentlichen Bereich ein. Deutschland ist dabei insgesamt auf einem sehr guten Weg, wie auch der jüngste nationale Integrationsbericht von Transparency International bestätigt. Die Politik hat in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Maßnahmen der Korruptionsprävention ergriffen. So ist die Bundesrepublik u.a. einer der größten finanziellen Unterstützer der globalen Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption, hinter deren Prinzipien wir stehen.
Anders als die deutsche Rechtstradition unterscheidet das Überreinkommen aber nicht zwischen Mandats- und Amtsträgern, also zwischen gewählten Volksvertretern und Beamten. Diese Gleichsetzung wird den Besonderheiten der verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Stellung von Abgeordneten jedoch nicht gerecht. Die Tätigkeiten von Trägern eines freien Mandats und die von Beamten unterscheiden sich grundlegend. Amtsträger wenden Gesetze an, sind Weisungen unterworfen und als Entscheidungsträger grundsätzlich ersetzbar. Sie müssen ihren Dienstpflichten nachkommen, die strikte Unparteilichkeit verlangen. Im Gegensatz dazu sind Abgeordnete – selbstverständlich im Rahmen von Recht und Gesetz – bei der Ausübung ihres Mandats nur ihrem Gewissen verpflichtet und ihren Wählern verantwortlich. Sie treten als Vertreter bestimmter Interessen auf, für deren Wahrnehmung sie in ein rechtsetzendes Parlament gewählt wurden. Parteilichkeit ist legitimer Bestandteil ihres parlamentarischen Wirkens und ihrer politischen Arbeit, die keinen fest definierten Pflichtenkreis kennt.
Es kommt in diesem Zusammenhang zwangsläufig einer Gratwanderung gleich, zu versuchen, eine Einflussnahme von Bürgern und Interessengruppen auf Mandatsträger, die im politischen Prozess notwendig und erwünscht ist, trennscharf von einer Einflussnahme abzugrenzen, die verwerflich und strafwürdig ist.
Daher bestand 1993 bei der Schaffung des § 108e StGB weitgehend Einigkeit darüber, dass es sachwidrig wäre, den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung dem der Beamten- und Richterbestechung nachzubilden.
Bisher ist es nicht gelungen, die Vorschriften der Abgeordnetenbestechung über § 108e StGB hinaus so zu konzipieren, dass sie einerseits in strafrechtlich hinreichend bestimmter Weise (Art. 103 Abs. 2 GG) der besonderen Stellung der Abgeordneten gerecht werden und andererseits den Vorgaben des Übereinkommens der Vereinten Nationen entsprechen. Dies gilt nach unserer Auffassung auch für die Regelungsvorschläge, die die Opposition in dieser Wahlperiode in den Bundestag eingebracht hat. In einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen, die der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages durchgeführt hat, hat jeweils eine Mehrheit der rechtswissenschaftlichen Experten diese Auffassung nachdrücklich bestätigt.
Ein Gesetz, das die Abgeordnetenbestechung nicht ausreichend zuverlässig auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen von Mandatsträgern begrenzt, würde aber die freie parlamentarische Willensbildung in Frage stellen, die auch die Freiheit der daran mitwirkenden Bürgerinnen und Bürger ist. Wir sehen die Gefahr, dass ein konturenloser Straftatbestand es in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise den Staatsanwaltschaften überlassen würde festzulegen, worin ein Vorteil zu sehen ist und welches Verhalten eines Abgeordneten noch seiner Stellung oder den parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht und welches nicht. Wenn ein solcher Straftatbestand nicht hinreichend erkennen lässt, was strafbar ist und was nicht, stünden die Abgeordneten bei ihren Kontakten ständig unter dem Damoklesschwert einer an eindeutige Maßstäbe nicht gebundenen justiziellen Aufsicht und würden bei ihrer Arbeit in unzumutbarer Weise behindert. Darüber hinaus wäre einer politischen Instrumentalisierung von Ermittlungsverfahren Tür und Tor geöffnet.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird trotz all dieser Schwierigkeiten weiterhin beraten, wie eine Umsetzung der UN-Konvention erfolgen kann.
Den Vergleich mit den ratifizierenden Staaten, deren Liste mit Afghanistan beginnt und mit Zimbabwe endet, muss Deutschland im Übrigen nicht scheuen, wie ein Blick auf den Korruptionswahrnehmungsindex 2012 von Transparency International zeigt. Deutschland liegt dort auf dem 13. (Vorjahr: 14.) von insgesamt 174 Plätzen.Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann, MdB